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Putins Härte, Merkels Blöße

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(pri) Nun hat es Wladimir Putin doch noch geschafft, Angela Merkel aus der Fassung zu bringen. Seit Jahren schon sahen sich ihre Begegnungen an wie bayerisches Armdrücken, bei dem es bislang keiner vermochte, den/die andere(n) auf den Tisch zu zwingen. Der russische Präsident floh nach der Brisbaner Runde erschöpft den frustrierenden 20er-Gipfel, die deutsche Kanzlerin machte ihrem Ärger in einer Philippika Luft, die einen tiefen Einblick in ihre sonst sorgsam verborgene Seelenlage gestattete.

Merkel, gewohnt, dass auch hartnäckige politische Widersacher am Ende die Segel vor deutscher, vor aller pekuniärer Potenz streichen, biss bei Putin auf Granit. Sie musste erkennen, dass es der Russe bitterernst meint; er machte klar, dass er keinen Schritt zurück mehr gehen werde, eher im Gegenteil. Er hat den Fehdehandschuh, den ihm NATO und EG immer wieder grinsend vor die Nase gehalten haben, ergriffen und wird den Kampf jetzt austragen – bis zu einem Resultat, mit dem Russland leben kann. Politiker, die jahrzehntelange Erfahrungen im früheren kalten Krieg haben, sahen das seit einiger Zeit kommen und mahnten – die Deutschen Bahr, Schmidt, Kohl, Genscher ebenso wie der der deutsche Lieblingsrusse Gorbatschow und der jeder Russlandfreundlichkeit unverdächtige Amerikaner Kissinger. Aber die amtierende Politikergeneration meinte es besser zu wissen und ist damit auf dem Weg ins Scheitern. Merkels Wutausbruch ist der Ahnung geschuldet, dass schmerzhafte Korrekturen der eigenen Politik unumgänglich sind.

Denn natürlich ließ sich Putin vom Merkelschen Donnerwetter weit weniger beeindrucken als beispielsweise ihr eigener Koalitionspartner und dessen Außenminister. Steinmeier fand es angebracht, seine Chefin indirekt vor verbaler Aufrüstung zu warnen – und wurde daraufhin umgehend mit einem Sondertermin bei Putin belohnt, der bei der Union sofort zu Irritationen führte. Der russische Präsident weiß, dass er trotz aller aktuellen Beschwerlichkeiten langfristig am längeren Hebel sitzt und hofft auf eine allmähliche Rückkehr der Gegenseite zur Wahrnehmung der Realität. Wie sehr gerade auch in der Ukraine diese Entwicklung als Gefahr gesehen wird, zeigen die unrealistischen Positionen Kiews – so etwa des Präsidenten Poroschenko zu einem »totalen Krieg«, den natürlich der Westen für ihn führen soll, oder die gebetsmühlenartigen Forderungen des Außenministers Klimkin nach einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft. Dem wird seitens des Westens kaum widersprochen – einer der Gründe für die ständige Eskalation der Kampfhandlungen in der Ost-Ukraine.

Ein anderer ist gewiss die ungebrochene Unterstützung Russlands für die Separatisten, die durch die Kiewer Politik der Abgrenzung und Blockierung der Ostgebiete eher gefördert als eingedämmt wird. Putin hat im ARD-Interview deutlich gemacht, dass sich daran nichts ändern werde, solange die ukrainische Regierung gewaltsam gegen Bürger des eigenen Volkes vorgeht, und es ist auch kaum vorstellbar, dass jene Ost-Ukrainer, die seit Monaten unter dem Bürgerkrieg leiden, jemals wieder Vertrauen zu den Verantwortlichen in Kiew entwickeln können. Sanktionen, mit denen der Westen unaufhörlich droht, haben für Russland zwar beträchtliche ökonomische Wirkungen, aber führen niemals zu politischer Unterwerfung – und darin folgt die große Mehrheit der russischen Bevölkerung trotz aller Entbehrungen ihrem Präsidenten. Es war von vornherein illusorisch zu glauben, ein Volk, das mit zwei verheerenden Weltkriegen überzogen wurde und aus beiden gestärkt hervorging, durch Wirtschaftssanktionen gefügig machen zu können.

Destabilisierungstendenzen zeigen sich eher in den östlichen Mitgliedsstaaten der EU. Nicht im Sinne einer neuen Annäherung an Russland, sondern aus Frust über die unerfüllten Versprechungen nach dem Beitritt zur EU. Die jüngsten Proteste vor allem junger, auf Westeuropa fixierter Leute in Ungarn, Tschechien und Rumänien richten sich gegen machtversessene und oft auch korrupte Politiker, die in diesen Ländern das Sagen haben und von der Brüsseler Bürokratie nicht nur geduldet, sondern oft sogar geschützt werden. Orban in Budapest, Zeman in Prag und Ponta in Bukarest sind die Janukowitschs von EU-Gnaden; dass der Widerstand gegen sie wächst, ist Zeichen wachsender Enttäuschung über eine Europäische Gemeinschaft, der der demonstrative Landgewinn im Osten wichtiger war als tatsächliche demokratische Reformen bei ihren Neuzugängen.

Natürlich ist für diese junge, aufgeklärte Generation Russland keine Alternative – zumindest nicht in seinem jetzigen Zustand. Und dass sich daran schnell etwas ändert, ist kaum zu erwarten. Aber die Realität, die die EU in ihren Heimatländern schuf, befriedigt sie ebenso wenig – und daran hat Angela Merkel einen beträchtlichen Anteil. Ihre Orientierung auf die ökonomische Passfähigkeit der neuen Staaten mit den vorhandenen neoliberal geprägten Strukturen, im Zweifel auch gegen demokratische Grundprinzipien, haben zu starken sozialen Verwerfungen bei allen osteuropäischen EU-Mitgliedern geführt. Die EU hat es bisher nicht vermocht, sich als unangefochtene Alternative zu autokratischen Systemen zu präsentieren, hat undemokratische Entwicklungen faktisch toleriert. Auch diesbezüglich sind politische Neujustierungen unvermeidlich, will man der Politik Putins etwas Substantielles, etwas Nachhaltiges entgegensetzen.


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